Ein Tanz. Sagt mehr als tausend Worte.


Zwischen Fitnesswahn und der Kunst, gemeinsam das Parkett zu schwingen.

Im Interview mit der Tanzlehrerin Nicole Mayer

Ich kann mich noch gut erinnern, als Nicki 2008 – mit ihrem zweiten Sohn schwanger - in unser Haus eingezogen ist. Zwei Stockwerke unter mir, wohnt sie ab sofort und so sollte es dazu kommen, dass ich alsbald in ihrer Tanzschule unterwegs war, um meine Schritte auf dem Parkett zu verfeinern. Bis ich schließlich zweimal die Woche fleißig bei lauten Tönen und heißen Rhythmen mir meine Bikinifigur zurück erkämpfe.

Vom Ballett als Kind, über die Aufnahmeprüfung zur Schauspielerin, bis zur Tanzlehrerin. Wie kam es dazu?

Das künstlerische Talent war wohl schon immer auf meiner Seite. Im Alter von fünf bis neun Jahren tanzte ich Ballett und erst sechs Jahre später landete ich in meinem ersten Tanzkurs, zu dem mich meine Mutter angemeldet hatte. Ironischerweise war ich immer eine, die nie einen festen Tanzpartner hatte. Mit der Zeit half ich bei den unterschiedlichsten Kursen aus. Übernahm immer öfter den männlichen Part, bis bei einem Kurs die Kursleiter ausvielen und ich spontan einspringen musste.
Bevor ich allerdings mit der Ausbildung zur Tanzlehrerin beim ADTV (Allgemeiner Deutscher Tanzlehrerverband e.V.) begonnen habe, hatte ich ein kurzes Vergnügen an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Tatsächlich schaffte ich die Aufnahmeprüfung zur Schauspielerin, zu der mich mein damaliger Lehrer motivierte. Jedoch stellte ich nach drei Monaten fest, dass das für mich nichts ist. Somit kehrte ich auf das Parkett zurück und begann in Traunstein meine Ausbildung.

Tanzen in New York und in San Francisco. Und wieder zurück in die Heimat. Wieso?

Während meiner Ausbildung zog es mich in die USA. Das war schon immer mein Traum. So landete ich erst in New York im Broadway Dance Center und anschließend in San Francisco. Klar, wollte ich gerne bleiben. Doch irgendwann stellte ich fest, dass das Alltagsleben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten kein Traum ist. Kein Tag Pause. Kaum Urlaub. Um alles musste man sich selbst kümmern. Um die Zeit und die Erfahrung bin ich sehr dankbar. Konnte ich ja auch die Zeit mir anrechnen lassen. Doch war auch der Unterricht teilweise sehr anstrengend und glich eher einem Leistungssport als einem Tanzvergnügen. So kehrte ich zurück, landete in Köln und wieder in Traunstein und bekam meinen ersten Sohn. Der in der Tanzschule groß geworden ist. Schließlich war ich sofort wieder auf dem Parkett tätig. Da kann das Leben schon hart und herzlich sein. Und da die Tanzlehrerin kein staatlich anerkannter Beruf ist, ticken die Uhren eh anders. Was leider sehr schade ist.

Was hätte Deutschland davon, wenn der Tanzlehrer ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf wäre?

Während der Ausbildung war es nicht unüblich, dass ich von 08 bis 13 Uhr Schule hatte und anschließend es bis 22 Uhr auf dem Parkett weiter ging. Mal vom gesetzlichen Rahmen abgesehen, glaube ich, dass es der Tanzlehrer mehr an Wertigkeit gewinnen könnte und das Tanzen generell, wieder aus dem Staub holen würde.

Ist Foxtrott und Co. von gestern?

Leider. Die Tanzkurse für die Standarttänze werden oft nur für einmalige festliche Anlässe, wie z. B. Hochzeit oder Abschlussball, besucht. Dabei ist der Paartanz viel mehr als sein angestaubtes Image. Beim Tanzen mit einem Partner geht es darum, sich auf den anderen einzupendeln. Dem Mann erlauben, dass er führt und die Frau sich dazu entscheidet, sich führen zu lassen. Es kommt nicht von ungefähr, wenn wir hinter vorgehaltener Hand sagen: „Schau jemanden beim Tanzen zu und du weißt, wie sein Sexleben ist.“ – Nicki lacht und schlägt die Hände vor ihr Gesicht.

Was mich zu der Frage führt: Was kann Tanzen?

Tanzen ist ganz viel. Es fördert die Kreativität. Das Loslassen und sich führen lassen. Auch für Männer ganz spannend, die eigenen Führungsqualitäten zu verfeinern, die sie bekanntlich in vielen Situationen im Leben brauchen. Natürlich spielt der Körper eine ganz wichtige Rolle. Unsere Körpersprache sagt mehr als tausend Worte. So können wir ein besseres Körperbewusstsein erlangen. Die Haltung verbessern und somit eine bessere innere Haltung erreichen. Tanzen hält jung, fördert die linke und rechte Gehirnhälfte, die zusammenarbeiten müssen.

Wieso haben wir das Tanzen verlernt und rennen Fitnesskursen hinterher?

Weil sich keiner mehr „blamieren“ will und sich vieles um Wettbewerb dreht. Dafür steht der Fitnesswahn. Sofort rank und schlank nach einem Kurs. Was mich als Fitnesstrainerin manchmal wahnsinnig macht. Jeder Mensch hat einen anderen Körper und braucht Zeit, bis er sich definiert. Da reicht es nicht, fünfmal die Woche zu kommen und dann den ganzen Sommer über nichts zu tun und das Eis literweise zu sich zu nehmen. Unser Körper will von uns beachtet werden. Sich bewusst Zeit nehmen. Was das Paartanzen sehr gut schaffen kann. Da wir hier gemeinsam etwas erreichen können. Beim Walzer geht es um das miteinander. Sich gemeinsam spüren und erleben. Und wenn ein Paar zu Beginn auf unterschiedlichem Niveau ist, empfehle ich, erst einmal getrennt sich auf das gleiche Niveau zu bringen. So umgehen wir die Schlammschlacht auf dem Parkett: „Wer, was richtig und falsch macht.“

Dein SunnySide Boutique Fitness läuft sehr gut. Schwitze ja selbst gut und gerne eins bis zweimal die Woche bei Deinen Kursen. Profitiert die Tanzschule von den Fitnesstrainings?

Absolut. Durch das Fitness bekomme ich doch den einen oder anderen dazu, dass er sich zu einem Tanzkurs anmeldet. Jazz ist sehr beliebt oder was jetzt auch ganz toll ist, ist The Mix. The Mix sind Tänze auf modernen Liedern, die im Cardio Bereich angesiedelt sind. Somit werden zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen. Tanzen und Fitness in 45 Minuten. Der Kurs läuft super und erfreut sich guter Beliebtheit. Die Tänze werden nach ein paar Wochen ausgetauscht, damit es nicht langweilig wird. Und das ist es, was mich und meine Arbeit auch auszeichnet.

Das klassische Fitnessstudioprogramm langweilt einfach nach einer gewissen Zeit. Weil alles Routine ist und somit kann man sehr schnell die Freude an der Bewegung verlieren. Bei mir nicht – sie grinst triumphierend. Ich versuche den Spaßfaktor hoch zu halten, damit die Freude, sich selbst und seinem Köper etwas Gutes zu tun, hoch bleibt. Dann bleibt auch die Bikinifigur das ganze Jahr über.

Eine letzte Frage zum Abschluss: Glaubst Du, dass wir Deutschen mehr tanzen sollten?

UNBEDINGT! Wir sind ja gut und gerne in einer sehr festen Struktur im Leben unterwegs. Montag bis Sonntag läuft oft im gleichen Rhythmus ab. Tanzen, die Bewegung, neue Tänze ausprobieren, bricht das starre System auf und ich glaube, dass sich die Leute auch wieder mehr danach sehnen. Auch wenn sie ihren sicheren Job nicht aufgeben wollen. So sehnt sich doch der Gefühlsteil nach mehr Freiheit. Und das schafft Salsa, Kizomba und wie sie alle heißen. Wir kommen beim Tanzen uns selbst und unserem Gegenüber wieder näher, baut Vertrauen auf und stärkt unser Bewusstsein für das, was in und uns herum passiert.

Ein Plädoyer

Die quirlige Tanzlehrerin hat ein Gespür für Trends und vergisst die alte gute Zeit nicht, in der es noch Ladys und Gentlemen gab. War es doch der erste Tanzkurs, mit dem man „früher“ in die Gesellschaft eingeführt worden ist.

Ich kann mich noch erinnern, als mein Vater am 30. Geburtstag meiner Schwester mich zum Tanzen aufforderte und ich glücklicherweise annehmen konnte. Es war ein wunderschönes Gefühl, mit meinem Vater zu tanzen und das möchte ich nie missen.

Egal wie talentiert man im Tanzen ist. Es beginnt immer mit dem ersten Schritt und die Welt bräuchte dringend mehr miteinander als den Konkurrenzkampf. Was das Paartanzen schaffen kann.

In diesem Sinne. Holt die Lackschuhe raus und ab aufs Parkett.

Herzlichst
Eure Simone

Mehr zu Nicki und ihrer Tanzschule www.tanzzeit.eu




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