Die Welt hat Betriebsurlaub und gibt uns die Chance, mit ihr zu wachsen

Wie das gehen soll? Ich versuche es mal.

Es ist eine sehr bewegende Zeit in der wir miterleben, dass sich Mutter Natur in Rekordzeit erholt und die Menschen an ihre Grenzen kommen. Es ist eine Zeit, in der wir unsere Strukturen und Verhaltensweisen überdenken können. Es ist eine Zeit des Überwindens, des Konfliktes. Den wir dringend brauchen um uns von alten Mustern und Gewohnheiten zu lösen. Und es ist eine Zeit, in der der bayerische Ministerpräsident es schafft, ein tiefschlafendes Muster der verzweifelten deutschen Seele in eine gesunde Richtung zu bringen.

Am Anfang war die Erkenntnis: Es geht um einen gewaltigen Veränderungsprozess

Mit einer Tasse Kaffee sitze ich in meinem Bett. Komme langsam an. In dieser ungewohnten Zeit. Sehe den Silberstreifen am Horizont. Doch bevor wir das Ende des Regenbogens erreichen, haben wir als Gesellschaft eine Verantwortung zu übernehmen: Die Schritte der Veränderung zu gehen.

Doch welche Schritte haben wir denn nun zu gehen und was läuft im Hintergrund so alles ab?

Wenn es um Veränderungsprozesse geht, durchlaufen wir meist vier Phasen.
  1. Forming: Wir tasten uns langsam ran. Sind uns jedoch nicht sicher, ob uns das wirklich betrifft.
  2. Storming: Die Erkenntnis trifft uns bis ins Mark – es betrifft uns. Wut, Kontrollverlust und Ängste sind an der Tagesordnung. Wir rebellieren und wehren uns.
  3. Norming: Langsam finden wir uns in der neuen Situation wieder. Das Alte bricht auf. Wir lassen die Veränderungen langsam zu. Formen uns neu.
  4. Performing: Die Kreativität schlägt zu. Wir sind eins mit dem neuen Denken und Handeln nach neuen Maßstäben. Es geht vorwärts.
Schauen wir uns die Phasen im Detail an.

Phase 1 – Es betrifft mich nicht

Es ist schon fast eine Ignoranz zu glauben, dass es mich nicht betrifft. Ich weiß noch wie ich mich aufgeregt habe, als sie den neuen Bond Film auf November verschoben haben. Boah. War ich sauer. Fröhlich schüttelte ich weiter die Hände – wobei ich brav mit Sagrotan bereits unterwegs war.

Die Schulen werden dicht gemacht – immer noch viel zu weit weg von mir selbst. Keine Kinder im Haus. Die ersten Jobabsagen flatterten ins Haus. IHK bis Ende April erst einmal tot. Gut. Das verkrafte ich. Was ich jedoch so langsam bemerke und mich auch trifft: Meine Münchner Kunden buchen keine Coachingtermine mehr. Die Familien haben jetzt andere Prioritäten. Coaching ist ein Luxusprodukt. Ein weiterer Gedanke bahnt sich ans Licht - seit ein paar Wochen arbeite ich nebenbei für ein paar Stunden beim DM - „Die Entscheidung dort zu arbeiten könnte gerade jetzt goldwert sein.“

Phase 2 – „Ab 0 Uhr wird zurückgeschossen“: Getroffen. Mich hats erwischt. 

Ok. Es wird ernst. Ich sitze mit im Boot und versuche meine Gedanken und Gefühle zu ordnen.
  1. Ich überprüfe meine Gedanken mit der Realität

Wut macht sich breit. Die Angst schlägt um sich. Jedoch nicht bei mir. Ich bleibe ruhig. Gehe joggen. Liege mittags mit einem Prosecco in der Badewanne und reflektiere meine Gedanken. Meine Realität ist folgende: Ich bin gesund und munter. Habe einen Job, der für ein finanzielles Grundgerüst sorgt. Mein Freundeskreis und ich haben den Humor ganz hoch gesetzt. Würde ich meine Gedanken weiterspinnen wie der mediale Krieg – der eine Schlacht nach der anderen schlägt – könnte ich mir gleich einen Sarg kaufen für meine Verbrennung.
  1. Der ganze Schatten unserer Wohlstandgesellschaft kommt ans Licht

Ok. Jetzt werde ich wütend. Wütend auf das kleine große Monster, das sich wie ein beleidigtes trotziges Kind verhält – die Erwachsenen. Hamsterkäufe haben Hochkonjunktur. Als Verkäuferin erlebe ich das täglich mit und versuche mich krampfhaft an meine gute Erziehung zu erinnern um nicht auszurasten. Bis ich einen Punkt überschritten habe und nur noch lachend an der Kasse sitze und die Schnapsbar für eröffnet erkläre.

Wieso das so abläuft ist einfach zu erklären. Viele Menschen haben als Kind nicht gelernt, sich selbst zu schützen und ihr Grundbedürfnis nach Sicherheit suchen sie im Außen als Ersatzbefriedigung. Sie sind Abhängig von anderen, um sich sicher zu fühlen. Da sie emotional keine Sicherheit verspüren, kaufen sie die Läden leer in der Hoffnung, das verschafft ihnen ein Gefühl von Sicherheit.
  1. Ich packe facebook nicht mehr

Die erste Konsequenz ist eingetreten. Das öffentliche Leben wird in Bayern eingestellt. Freizeiteinrichtungen und Geschäfte müssen schließen. Die erste Panik entsteht, da es uns in unserem Alltag beschränkt und gleichzeitig viele Existenzen auf dem Spiel stehen.

Wieso ich facebook gerade in dieser Phase nicht packe? Es gibt tatsächlich viele – auch in meinem Umfeld – die es jetzt wirklich hart trifft. Doch als Selbstständiger jetzt laut nach dem Staat schreien und Geldhilfe fordern, während man selbst in den letzten Wochen und Monaten fleißig Bilder in Szene gesetzt hat von neuer Wohnung und tollen Urlauben, da bekomme ich das Kotzen. Sorry. Muss jetzt direkt werden. Das ist eine Doppelmoral und ein falsches Spiel.

Ich lösche fürs erste die facebook – App von meinem iPhone.
  1. „Wenn du dich verhältst wie ein Kleinkind, dann wirst du behandelt wie eins!“

Freitagnachmittag. Telefonat mit meiner Mutter nach Bekanntgabe der Ausgangsbeschränkung ab 24 Uhr. Kommentar meiner Mutter: „Ab 0 Uhr wird zurückgeschossen.“ Ich breche ab vor Lachen und feiere meine Mutter. Treffender könnte man diese Situation nicht beschreiben.

Ich schlage die Brücke zwischen unserem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder und unserem ach so tollem Dichter und Denker Land. Zu Beginn hatte er sich mit uns an einen Tisch gesetzt – auf Augenhöhe. „Wir tun das für euch. Bitte tut das für uns, damit das alles greift.“ Es ist ein ganz normaler Handel, eine Abmachung, zwischen zwei Erwachsenen auf Augenhöhe.

Pustekuchen. Viele aus unserer Gesellschaft rebellierten weiter. Wollen an ihrem zerstörerischen Verhalten nichts ändern während für andere sich gerade die Hölle auftut.

Söder droht und binnen 24 Stunden folgt die Konsequenz.

Was passierte hier im Hintergrund? Söder wechselte die Rolle. Er ist aus dem Erwachsenen-Ich ausgestiegen und nahm die Rolle des Eltern-Ichs an, da sich Teile der Bevölkerung wie ein ungehorsames Kind benahm. Und nach einer Drohung muss eine Konsequenz folgen, sonst wird die Führungsperson nicht ernst genommen und alle tanzen einen auf der Nase herum – bis ein einziges Chaos für die Gesellschaft und die Wirtschaft entsteht, die kein blaues Auge mehr sein wird.
  1. Endlich macht jemand eine klare Ansage, die für Führung und Vertrauen sorgt

Hinter all dieser Kulisse vernehme ich einen weiteren Silberstreifen am Horizont und zolle unserem Ministerpräsident Respekt. Er hat es geschafft ein tiefsitzendes Muster unserer Gesellschaft wachzurütteln. Als Deutsche haben wir das Problem uns klar zu bekennen und jemanden klar zu folgen, aus Angst, dass wir eine Wiederholung unserer Geschichte hervorrufen. Vielleicht haben wir deshalb eine Politik erschaffen, in der sich keiner traut ein klares Machtwort zu sprechen und Verantwortung zu übernehmen. Doch wir brauchen jemanden, der das Zepter übernimmt. Ein Leitwolf. Und unsere Aufgabe als Gesellschaft ist mit Herz und Kopf immer wieder die Situation zu überprüfen, statt blind zu folgen. Auch sollten wir dringend wieder mehr Verantwortung für unser eigenes Tun und Handeln übernehmen. Und eins sollte uns die Tage klar getroffen haben: „Wer nicht hören will muss fühlen.“

Phase 3 - Ich komme an und entwickle Lösungen

Wir haben Sonntag. Tag zwei der Ausgangbeschränkung. Zugegeben: Gestern als ich von meiner Frühschicht vom DM nach Hause kam – und ich am Morgen den Thron als Herrscherin des Klopapiers in der DM Filiale noch bestieg -, war das irgendwie seltsam. In nächster Zeit kein spontaner Kaffee mit Freunden. Kein Prosecco in meinem Lieblingscafé. Keine Ahnung wann ich meine Eltern wieder sehe, die 400 Kilometer von mir entfernt wohnen.

Und doch fange ich an mich mit dem Sturm zu bewegen. Meine Kunden sind darüber informiert, dass ich ab sofort die Coachingtermine online anbiete und siehe da, der erste Termin kam herein – wird neu für mich sein. Gemeinsam mit Martina Jürgensen vom Magazin Business & She entstehen gerade neue Artikel.

Auch merke ich, wie ich mich in die Krise hinein entspanne. Die erste Hochzeit (ich bin freie Rednerin für Hochzeitszeremonien), die im Mai stattfinden hätte sollen, wird auf 2021 verschoben. Nach 5 Minuten tief durchatmen reagiere ich besonnen auf die Situation und schreibe dem Brautpaar: „Bin 2021 sehr gerne eure Traurednerin. Vertraglich ändert sich nichts. Einfach nur neuer Termin.“

Ich bin stolz auf mich, dass ich professionell mit den aktuellen Ereignissen umgehe und freue mich jetzt schon wie ein Kind auf das Schnitzel mit Pommes im Park Café und auf den Prosecco mit Brigitte und Nicki im Wiggerl 17.

Phase 4 – Ich ahne gutes.

Hochmut kommt vor dem Fall. Den wir gerade anscheinend dringend brauchen.

Auch wenn es gerade nicht danach aussieht. Am Ende ist immer alles Gut. Wir haben jetzt gemeinsam die Chance uns neu zu definieren. Das wieder ins Bewusstsein zu rufen, was uns eigentlich stark macht. Auch sollten wir uns bitte bewusst machen, wir sind ein Teil der Politik. Immer nur den anderen den schwarzen Peter zuzuschieben führt zu Blockaden und zu noch mehr Frust und zeigt kein bisschen von Verstand und lösungsorientiertem Handeln.

Der Silberstreifen am Horizont ist da

Seit ein paar Tagen, nach dem ersten Schock und des Ankommens in der aktuellen Situation, verspüre ich eine neue Dynamik die so viel Herz in sich trägt. Bitte. Lasst uns diesen Schwung für uns nutzen.

Vielleicht schätzen wir wieder mehr, was wir haben, statt einer besseren Zukunft hinterherzujagen, die vielleicht nur eine Seifenblase ist und nie Realität werden kann, weil wir uns um Mutter Erde nicht kümmern.

Ich drücke uns alle fest die Daumen und werde weiterhin gesund und munter die Stellung beim DM für euch halten.

Alles Gute
Eure Simone

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